Lösungen für die Post-Cookie-Ära: das Google-Projekt Privacy Sandbox

In einer dreiteiligen Serie werden Sarah Birkhäuser und Martin Krieg auf Basis von Branchenmeldungen und Beschreibungen der Organisationen, die diese Projekte betreiben, die W-Fragen (wer, wie, was, wann, warum, …) zu North Star der WFA, Privacy Sandbox von Google und und Rearc vom IAB Tech Lab beantworten.

Den zweiten Teil unserer dreiteiligen Serie bildet das Projekt Privacy Sandbox von Google.

#Tracking und Audience Measurement im Google-Universum soll spätestens ab 2022 ohne Third-Party-Cookies laufen. Dann sperrt Google andere Datensammler aus dem marktführenden Chrome-Browser aus und besiegelt damit ihr Ende. Fürs Targeting sollen aggregierten Kohorten für die Kampagnenaussteuerung agieren, fürs #Measurement zeichnet sich die Lösung noch nicht so konturiert ab, wird aber sicher mit einem Google-eigenen „Produkt“ zum Beispiel Google Analytics abgedeckt, dessen Intransparenz für den deutschen Werbeträgermarkt nicht als „Währungssystem“ dient. Im nationalen Markt setzt man nach wie vor auf konsensuale, in Gremien erarbeitete Standards und dessen Einhaltung durch die Prüforganisation IVW.

Wer steckt dahinter?

Google.

Was ist das?

Im Grunde ein Ansatz zur Neudefinition von Browsern. Es handelt sich um eine Sammlung von Vorschlägen, die zu einem Web ohne Tracking-Cookies führen sollen. Die Sandbox Browser-Architektur soll die standardisierte Lösung werden, um zielgerichtete Online-Werbung und individuellen #Datenschutz zusammenzubringen.

Wer sind die Kooperationspartner?

Google kooperiert mit der Web-Standard-Organisation W3C, die das Privacy-Sandbox-Projekt koordiniert und lädt alle Marktteilnehmer ein, ihre Ideen und Konzepte einzubringen. Zum Kreis der Teilnehmer gehört auch die European NetID Foundation. Nicht involviert sind hingegen die JICs.

Was ist das Ziel?

Google möchte ein „neues digitales Ökosystem rund um Chrome“ entwickeln. Es geht um die Vereinbarkeit von personalisierter Werbung und Privatsphäre, also um ein „privateres Web“ ohne Tracking-Cookies. Nutzerdaten sollen so besser geschützt werden, während die Möglichkeiten für zielgerichtete Werbung gleichzeitig offenbleiben. Denn Werbetreibende sollen den Erfolg ihrer Kampagnen weiterhin auswerten können und Anzeigen an bestimme Gruppen ausspielen, ohne dass einzelne Nutzer über Website-Grenzen hinweg verfolgt werden (Third-Party-Cookies). Google selbst bezeichnet die Sandbox als ein „florierendes Web-Ökosystem, das die Benutzer respektiert und standardmäßig privat ist.“ Langfristig soll sich das Verfahren verlässlich als Web-Standard etablieren und einsetzbar für alle Browser sein.

Was wird gemacht?

Im August 2019 hat Google angekündigt, Third-Party-Cookies zu blocken und den eigenen Browser Chrome über die Sandbox-Technologie so weiterzuentwickeln, dass darauf alle Daten verarbeitet werden können, die für die Mediaplanung und den -einkauf benötigt werden. Das soll so funktionieren: Nachdem der User einmal zugestimmt hat, wird sein gesamtes Nutzungsverhalten über eine Software im Browser aufgezeichnet. Der Nutzer entscheidet nicht mehr, von wem er Cookies zulässt oder nicht. Mithilfe der Sandbox können detaillierte Profile für die einzelnen Benutzer erstellt werden. Diese Informationen werden im Browser „monopolisiert“ und an die Medien nach Auktionierung ausgeliefert. Den Werbetreibenden oder Agenturen werden diese Daten wiederum nur aggregiert zur Verfügung gestellt.

Die Folge: Die Qualität der Messung und Aussteuerung von Kampagnen durch die Agenturen und Werbungtreibenden dürften sich deutlich verschlechtern und eine unabhängige Nachprüfung der Leistungswerte verhindert werden. In einem weiteren Schritt kann Google diese Server- und Browser-Technologie mit Daten zur Mediennutzung aus anderen eigenen Services – insbesondere Video (z.B. YouTube) – aber auch aus weiteren Datenquellen (z.B. GfK-GXL Panel inkl. TV-Nutzungsdaten) verbinden und darüber crossmediale Leistungsdaten für Bewegtbild generieren.

Konkret schlägt Google vor, dass etwa die Browser ein „Privacy Budget” verwalten, das Websites eingeschränkten Zugriff auf Nutzerdaten gibt, sodass Nutzer etwa einer Werbezielgruppe zugeordnet, aber nicht persönlich identifiziert werden können. Google sieht auch die Einrichtung zentraler Identitätsdienstleister vor, die per API beschränkten Zugriff auf Nutzerdaten bieten und den Nutzer über die weitergegebenen Infos informieren. Dabei sollen schrittweise nur so viele Informationen weitergegeben werden, wie nötig sind, um den Nutzer einer Werbezielgruppe zuordnen zu können. Ein Maßnahmenbündel, dass Browserhersteller von weiteren Alleingängen abhalten soll.

Laut Google selbst ist die größte Herausforderung bei der „Mission“ das allgegenwärtige Cross-Site-Tracking, das im Web zur Norm geworden ist: „Wir glauben, dass ein Teil der Magie des Webs darin besteht, dass Inhaltsersteller ohne Gatekeeper veröffentlichen können und dass die Benutzer des Webs frei auf diese Informationen zugreifen können, da sich die Inhaltsersteller durch Online-Werbung selbst finanzieren können. (…) Wir planen (…) standortübergreifendes Tracking (…) Parallel dazu werden wir die aktuellen Techniken für die nicht auf #Cookies basierende standortübergreifende Verfolgung wie Fingerabdruck, Cache-Inspektion, Linkdekoration, Netzwerkverfolgung und PII- Verknüpfungen aggressiv bekämpfen.“

Was meint die Branche?

Datenschützer seien von den bisherigen Vorschlägen zur „cookielosen“ Zielgruppenerfassung nicht angetan. Laut OMG sei ein hoher Grad an Intransparenz sowie Dominanz durch Google zu befürchten. Problematisch erscheint außerdem die Steuerung und Kontrolle eines solchen Systems – sowohl global als auch in den lokalen Märkten, so die OMG. Auch ist die Finanzierung des Ansatzes sei derzeit noch ungeklärt. Doch es gibt auch positive Rückmeldungen: Die digitale Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) begrüßt beispielsweise Vergabe eines Budgets für #Fingerprinting: Beim Fingerprinting werden Browser-API ausgenutzt, um Nutzerinnen und Nutzer eindeutig identifizieren zu können – ganz ohne Cookies. Um den legitimen Einsatz dieser API nicht zu verhindern, schlägt Google daher vor, jeder Website eine bestimmte Anzahl an Zugriffen zu erlauben. Erst nach Überschreitung wird der Zugriff vom Browser unterbunden.

„Unglücklicherweise ist das der Punkt, an dem die guten Sachen enden. Der Rest der Vorschläge von Google reicht von mittelmäßig bis geradezu gefährlich“, schreibt die EFF und bezieht sich dabei unter anderem auf Googles Vorschlag, eine API zur Messung von Konversionen zu schaffen. Der Vorschlag sieht vor, dass der Browser jedes Mal einen Wert in eine Tabelle schreibt, wenn dem User eine Werbung gezeigt wird. Besucht der User dann die Ziel-URL der Werbung, wird dieser Wert an den Werbetreibenden übermittelt. Die Idee an sich findet die EFF gar nicht mal schlimm, die Organisation kritisiert jedoch, dass Google eine viel zu große Datenmenge pro Werbung zulassen will. So könnte jede ausgespielte Anzeige eine einzigartige Erkennungs-ID erhalten, wodurch einzelne Nutzerinnen und Nutzer am Ende doch wieder gezielt verfolgt werden könnten.

Da Werbetreibende nicht nur den Erfolg ihrer Anzeigen messen, sondern auch zielgerichtet ihre Werbung ausspielen wollen, hat Google Vorschläge eingebracht:

  • Federated Learning of Cohorts (FLoC): Der Browser selbst würde Nutzer anhand des Surfverhaltens bestimmten Gruppen zuordnen, die dann wiederum von der Werbeindustrie als Ziel ausgewählt werden könnten. Die EFF kritisiert jedoch, ein FLoC-Name wäre eine „Tätowierung auf Ihrer digitalen Stirn“ und auch Google hält den eigenen Vorschlag für nicht perfekt, da Informationen über die Interessen veröffentlicht werden könnten.
  • Private Interest Groups, Including Noise (PIGIN): Werbetreibende würden Website-Besucher in bestimmte Interessengruppen einteilen (über eine API im Browser gespeichert). Nutzer könnten selbst bestimmen, ob sie in einer Gruppe eingeteilt sein wollen oder nicht und die Identität des Users soll nicht verraten werden (…). Laut EFF könne eine persönliche Identifikation anhand der Vorgaben jedoch nicht verhindern werden.

Beides sei am Ende keine Verbesserung im Vergleich zu Third-Party-Cookies, da sie „Tracker mit einem massiven neuen Informationsstrom versorgen, den sie nutzen könnten, um ihre eigenen Benutzerprofile zu erstellen oder zu erweitern“, so die EFF. Laut Google seien die Vorschläge besser als die heutige Situation.

Wie könnte es sich auf den deutschen Werbemarkt auswirken?​

Dr. Bernd Nauen, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), beschreibt die Privacy Sandbox als „Hebelmechanik mit massiven Auswirkungen auf den Wettbewerb.“ Das vordergründige Ziel des Projektes sei es, „den Browser (d.h. zuvorderst den eigenen weltweit marktstärksten Browser Google Chrome) als einzige „vertrauenswürdige Instanz“ für Datenverarbeitungen (außerhalb von Apps) zu etablieren. (…) Das heißt, das wettbewerbsrelevante Daten, wenn der Nutzer mit der Datenverarbeitung einverstanden ist, den Browser, wenn überhaupt, nur noch über einen stark eingeschränkten, von Google gesteuerten Weg verlassen sollen.“

Wenn sich das Projekt durchsetzt, würde datengesteuerte Werbung „innerhalb“ des Sandbox-Browsers durch völlig andere Regeln definiert werden, so Plan.Net. Googles Display Business (GDN) wäre in der jetzigen Form nicht mehr möglich. Gut hingegen wäre, dass First-Party-Cookies und genehmigte Login-IDs davon nicht betroffen wären (Plan.Net).

Das meint die Organisation der Mediaagenturen (OMG): Der deutsche Werbemarkt zeichnet sich traditionell durch große Transparenz und Vergleichbarkeit aus. Das ist auch das Verdienst der JICs wie AGMA, AGF oder agof. Trotz langjähriger Verhandlungen ist es aber bislang nicht gelungen, Google oder Facebook in die marktübergreifende Reichweitenmessung einzubinden. Die Projekte North Star (WFA) und Privacy Sandbox (Google) in Kombination legen nahe, dass Google einen weiten Teil der Wertschöpfungskette im Mediamarkt „übernehmen“ will: Die Werbungtreibenden werden darauf reduziert, ihre Kampagnenziele und Werbemittel bei Google einzugeben. Die Publisher sollen auf der anderen Seite ihr Inventar unter Angabe von Mindestpreisen angeben. Eine individuelle Kampagnenplanung durch Agenturen entfällt, denn die Steuerung von Kampagnen läuft nur noch über Google, bis hin zur Rechnungsstellung für die Medien. Dies würde dann nicht nur für Googles eigene Kanäle gelten, sondern auch der Konkurrenten, insbesondere TV. Die Kundendaten, User-Profilierungen und Algorithmen zur #Reichweitenmessung werden dann fast ausschließlich von einem einzigen Unternehmen kontrolliert – weltweit. Publisher und Werbungtreibende würden damit de facto ihre Endkundenbeziehung und das damit verbundene Know-how verliere.

Und auch Dr. Bernd Nauen (ZAW) meint mit einem Blick auf die wettbewerbliche Perspektive: „Die Verarbeitung aller werbewirtschaftlich relevanten Daten durch andere Unternehmen als Google wird […] ausgeschlossen. […] Alle anderen Marktbeteiligten, wären außen vor, können nicht mehr erheben.“

Was bedeutet es für Deutschland (JICs)?

Die Erfahrungen der AGF bei dem Versuch, Google bei der Bewegtbildmessung in Deutschland im Rahmen einer Mitarbeit einzubinden, legen nahe, dass langfristig Google die Messung weltweit nicht nur, sondern auch über Bewegtbild / Video hinaus für andere Werbebuchungen anbieten will. Derzeit ist kein verbindliches Governance Modell vorgesehen, das gewährleisten würde, dass eine neutrale Organisation wie z.B. ein JIC die Messung unabhängig einer Dominanz von Plattformen, Medien und Werbungtreibenden sowie ihren Agenturen, methodisch transparent und in den Konventionen abgestimmt im Interesse aller Marktteilnehmer vornimmt. Im Gegenteil: Da in den USA bisher keine solche Organisation existiert und auch nicht geplant ist, ist davon auszugehen, dass Google die marktübergreifende Messung technisch und faktisch übernimmt, so die OMG.

Browserhersteller haben bereits die Initiative ergriffen und greifen gegen Nutzertracking durch. Dabei täuschen sie die Privatsphäre jedoch nur vor, denn Werbefirmen haben längst andere Wege gefunden, Nutzer selbst dann identifizierbar zu halten, wenn kein Cookie mehr zum Auslesen bereit steht (Fingerprinting). All das offenbart eine gewisse Hilflosigkeit der Branche im Umgang mit dem Thema Privatsphäre, bei der die Nutzer einerseits, aber auch die Inhalteersteller andererseits auf der Strecke zu bleiben drohen. Publisher verlieren also mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen – eine Lose-Lose-Situation? Google hat in jedem Fall ein erhebliches Eigeninteresse daran, Wege zu finden, personalisierte Werbung weiterhin ermöglichen. Immerhin stammt der Großteil der Einnahmen Googles aus Werbung.

„Schließlich wären unabhängige Reichweiten- und Werbeleistungsmessungen durch
unabhängige Dritte (JICs wie IVW, AGOF) ausgeschlossen. Letzteres entspräche einem Printmarkt ohne neutrale Auflagenkontrolle im Interesse aller Marktpartner!“, so Dr. Bernd Nauen (ZAW).

Was bedeutet es für Europa?

Wird die Privacy Sandbox zum Verbindungszentrum zwischen Buy- und Sell-Side? Noch herrschen divergente Interpretationen der DSGVO-Richtlinien in Europa. Advertising Identifier sind eine wichtige technologische Brücke zwischen Nutzerdaten auf der Buy- und Sell-Side. Offen ist allerdings, wie Interoperabilität funktionieren wird, und ob sie langfristig von Regulatoren und Browsern unterstützt werden, so die OWM. Wird das Open Web durch die Zunahme an Logins immer mehr zum „Closed Web“? Wird Contextual Advertising zur einzig konstanten Targeting Basis?

„Aktuell liegt der Fokus besonders auf digitaler Werbung, langfristig wird Privacy Sandbox aber ein Proof-of-Concept und Weg für alle digitalen Geschäftsmodelle unter Einfluss von Google bzw. Alphabet sein“, so Dr. Bernd Nauen (ZAW). Er beschreibt außerdem mögliche Effekte des Projektes:

  • Das freie Internet existiert ab Durchsetzung der Privacy Sandbox nicht mehr wie früher, alle Datenverarbeitung in Chrome steht unter Kontrolle Googles.
  • Ein freier diverser Markt ist nicht mehr gegeben, da Google entscheidet wer in den Browser und damit an den Kunden kommt.
  • Alle internetbasierten (langfristig alle datenbasierten) Geschäftsmodelle begeben sich in eine absolute Abhängigkeit zu Google, welches einseitig und ohne Konsequenz jegliche Regeln festsetzen und verändern kann.
  • Privacy Sandbox ist als Vorläufer eines „User Cockpits“ konzipiert, wird also wahrscheinlich auch auf die restlichen Services ausgedehnt und damit mittelfristig zur allumfassenden, digitalen Steuerungseinheit im Leben der Bürger.

Wie ist der aktuelle Stand?

Google hat Mitte Oktober 2020 in einem Whitepaper über erste Tests mit den Kohorten berichtet. Danach ergaben sich für die ausgelieferte Werbung Recall-Werte, die um 350 Prozent höher lagen als bei zufällig zusammengestellten Zielgruppen. Die Werbungtreibenden und Agenturen bekommen in diesem System nur noch aggregierte Daten. Eine Analyse individueller Customer Journes ist nicht mehr möglich, ebenso wenig eine neutrale Messung. Auch eine Ansprache granularer Zielgruppen unterhalb der Kohortengröße fällt weg. 

So sieht auch die OWM das Sandbox-Projekt kritisch und hat es gemeinsam mit dem Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) im Rahmen einer Studie über „Online-Werbung in der Post-Cookie-Ära“ beleuchtet. Das Ergebnis: „Die personalisierte und individuelle Aussteuerung von Werbeinhalten wird nahezu unmöglich“, sagt Christine Diener, Leiterin Digital bei der OWM.

Wer hat die „Datenhoheit“?

Wird Google zum Gatekeeper der programmatischen Werbung? Experten fürchten, dass Googles Marktmacht zu groß wird. Fraglich sei zudem, ob die Privacy-Sandbox wirklich ein Gemeinschaftsprojekt des Marktes ist, wie Google es mit der Anbindung an W3C „etikettiert.“

„Die Privacy Sandbox ist aus Sicht von Google eine reine Browser- Technologie und sieht sich als logische Fortsetzung der Idee des Browsers als Gatekeeper. Nur der Gatekeeper kann und soll aus Sicht von Google sicherstellen, dass die Nutzungsdaten sicher und unter Nutzerkontrolle sind.“, so auch Dr. Bernd Nauen vom ZAW.

Die OWM meint, das Googles Ansatz prinzipiell in die richtige Richtung geht. Allerdings sollte die Kontrolle nicht nur bei einem Unternehmen liegen, sondern als transparente Marktlösung verabschiedet werden. Die Marktkonzentration wird sich voraussichtlich weiterhin erhöhen –zum Einen, weil ggf. einzelne Marktteilnehmer aufgrund von höheren Barrieren oder geringerem Zugang zu First-Party Daten alleine nicht überleben werden können; zum Anderen, weil aufgrund von Skalierbarkeit und Einfachheit mehr Werbespendings der Advertiser Richtung GAFAs fließen könnten. Besonders, wenn gemeinsamen Lösungen und Standards nicht rechtzeitig gefunden, entwickelt und erfolgreich umgesetzt werden können, werden die schon jetzt dominierenden #GAFA-Konzerne vom Wegfall des Third-Party Cookies profitieren.

Wie sehen potenzielle Worst Case Szenarien aus? Akuter Kontrollverlust: durch Anonymisierung des Nutzers, Verschlechtertes Nutzerlebnis durch mehr und irrelevante Werbung, Zunehmende Marktkonzentration: GAFAs profitieren, kleinere Websites im Nachteil, so die OWM.

Laut OMG sei es Googles Ziel, ein global funktionierendes Ökosystem für die Medienmärkte aufzubauen und zu betreiben, um eine dominierende Vermittlerrolle einzunehmen. Diese Strategie basiert aktuell maßgeblich auf zwei Projekten: der Sandbox-Browser-Architektur und Googles Beitrag zum WFA-Ansatz für einen globalen Videostandard. Google hat mit beiden Projekten das Potenzial, das weltumspannende Ökosystem für den Werbemarkt zu werden. Ein von Google angebotenes marktübergreifendes Reichweitenmesssystem nimmt den Marktteilnehmern bei allen Transparenzversprechen und Mitwirkungsangeboten die Mitbestimmung, die für einen neutralen und offenen Standard notwendig ist, so die OMG. Klaus-Peter Schulz, Geschäftsführer und Sprecher der OMG weist daraufhin: „Es kann sein, dass hier das dominante Ökosystem der digitalen Werbung entsteht, das zudem auf der Datenebene eng mit dem Video-Universum verknüpft ist.“

Wie verändern sich ggf. Messung, Prüfung und Reichweiten?

Das meint die OWM: Advertising IDs werden mehrheitlich als Kernlösung für den Datenaustausch, sowie die Messungsverfahren verstanden. Bis dato scheint es jedoch nicht so, als könnten aktuelle Lösungen den Bedürfnissen und Anforderungen aller Marktteilnehmer gerecht werden. Für jeden vierten Befragten der Studie „Online-Werbung in der Post-Cookie-Ära“ ist es entscheidend, dass die IDs Plattform- und Kanalübergreifend funktionieren, damit einzelne Datenpools aufgebrochen werden können und es einen adressierbaren Gesamtmarkt gibt. Für diese Interoperabilität sind Standards von entscheidender Bedeutung. Brancheninitiativen, wie das Project Rearc des IAB Tech Lab oder die Working Group der W3C rund um das Thema Privacy Sandbox arbeiten an solchen Lösungen. Langfristig steht die Frage im Raum, inwiefern IDs datenschutzseitig von Regulatoren und Browsern akzeptiert werden. Sobald der Nutzer im Hintergrund wieder genau getracked werden, könnte der Markt von beiden Playern ein Regulierungs-déjà-vu erleben. Auch technologisch ist noch ungeklärt, wie IDs ohne Third-Party-Cookies nachhaltig funktionieren können. Aus Nutzerperspektive ergeben sich positive, sowie negative Entwicklungen – einerseits könnte durch sinnvolle Konsolidierungen mehr Datensparsamkeit erreicht werden. Allerdings ist auch zu erwarten, dass Nutzer mehr und irrelevantere Werbung angezeigt bekommen werden, aufgrund von limitierten Analyse- und Personalisierungsmöglichkeiten.

Wie kann die IVW sich positionieren?

Es wird nicht nur einen Ansatz geben, der die Third-Party Cookies ersetzen wird, da sind sich alle Experten einig. Stattdessen wird es viele unterschiedliche Möglichkeiten geben, Nutzer zu erreichen – ausgewählt je nach Werbeziel und Kampagne. Dies sorgt für Fragmentierung und Komplexität, die es für alle Marktteilnehmer derzeit schwierig machen, sich zu positionieren. Diese substanzielle Herausforderung kann gemäß aller Studienbeteiligten allerdings nur mit gemeinsamer Anstrengung und Zusammenarbeit gemeistert werden. Wir bewegen uns in einem neuen Zeitalter der Kooperation. Das Gemeinwohl und die Funktionalität des gesamten Ökosystems sind den Partikularinteressen einzelner Marktteilnehmer übergeordnet, so die OWM.

Laut Dr. Bernd Nauen (ZAW) sei Unabhängigkeit von Plattformen, Publishern und auch Kunden mit Agenturen zu fordern. Außerdem: Offene Marktstandards, Transparenz in Methode und Konventionen für alle Marktpartner. Denn es geht um die Unabhängigkeit und Selbstbestimmung von lokalen Märkten. Was zu tun ist: „Effektive Überprüfungs- und Einhegungsmöglichkeiten des drohenden vollständigen Monopols von Google im Datenbereich durch Regulierung der Gatekeeper Plattform.“

Das meint Martin Krieg, Leiter des Bereichs Digitale Medien der IVW: Sollte dieses Projekt eines einzigen Marktteilnehmers, das zwar als open source-Ansatz über das W3C „getarnt“ ist, das deutsche Kartellamt passieren und damit nicht wettbewerbsbeschränkend sein (was sich derzeit nicht abzeichnet) gibt es bereits jetzt massive Bedenken bzw. Kritik an diesem Google-Projekt: Die OWM spricht bereits in einem frühen Stadium die Intransparenz der im Projekts Privacy Sandbox gebündelten Maßnahmen zum Schutz der Privatsphäre (Federated Learning Of Cohorts (FloC)) an. Die Nutzererkennung wird bei der Privacy Sandbox in den Browser verlagert. Die Browser-Historie wird dabei lokal auf dem Rechner des Nutzers verarbeitet. Anschließend wird aus den Daten ein Profil erstellt, anhand dessen der Nutzer einer Gruppe mit ähnlichen Interessen zugeordnet wird und dessen Aktionen auch gemessen werden können. Es wird zwar noch nicht ganz ersichtlich, wie Google sich bei diesem Projekt das Audience Measurement vorstellt (vielleicht lässt sich das in Versionsverwaltung von GitGub nachvollziehen – es ist aber mühsam die bereits zum jetzigen Zeitpunkt über 900 Issues zu durchsuchen), es liegt aber nahe, dass Google dafür die bekannten Tools – vor allem Google Analytics – einsetzen wird und wie auch jetzt schon Schnittstellen schafft, mit denen man diese Nutzerdaten (aggregiert) weiterverarbeiten kann: „Chrome’s Privacy Sandbox puts forward APIs for measuring and reporting on ad campaigns, all designed to strengthen user privacy by avoiding cross-site tracking.“ Aber dies birgt die längst bekannten Gefahren, dass diese Metriken weder konsensual durch ein JIC definiert wurden (noch weiß man, wie diese Kennziffern gebildet werden) und, wie eingangs geschildert, fehlt es an der Transparenz, ob diese Kennziffern korrekt ermittelt wurden. Daher sieht sich die IVW auch in diesem Projekt, sollte es sich durchsetzen, am ehesten als Media Rating Council (MRC), dass zwar nicht mehr (selbst) misst (bzw. durch die INFOnline messen lässt) und die korrekte Messung anhand der Nutzungsdaten und der korrekten Implementierung des Messsystems prüft. Wie im WFA North Star Projekt würde sich die IVW hier als Zertifizierungsstelle positionieren, die anhand eines Kriterienkatalogs zertifiziert, ob die aus der Privacy Sandbox ermittelten Daten den Standards des deutschen Werbeträgermarkts entsprechen.

Die Versuche in Deutschland, GAFAs in die JICs zu integrieren, müssen als gescheitert betrachtet werden. Die Chance für die IVW läge eventuell darin begründet, dass im Sandbox-Projekt Auditing ein Element ist, weil sich die Google-Tools auch im US-amerikanischen Werbemarkt vom Media Rating Council zertifizieren lassen müssen. Eine derartige Zertifizierung im deutschen Werbeträgermark läge nahe durch eine deutsche – von allen Marktpartnern getragene – Organisation: der Prüfgemeinschaft – IVW.

Auch wenn bereits zum jetzigen Zeitpunkt andere Organisationen (JICs wie Verbände gleichermaßen oder gemeinsam) sich im Bereich Zertifizierung versuchen zu profilieren, wäre die IVW durch Ihre Stakeholder: Kunden, Agenturen und auf der Werbeträger-Seite im Digitalbereich alle Mediengattungen (Fernsehen/TV, Radio, Online, Zeitungen, Zeitschriften, Fachpresse, Verzeichnismedien und Content Marketing) „an einem Tisch“, prädestiniert diese Zertifizierungsleistung für die Reichweitenermittlung und weitere Bereiche im digitalen Werbeträgermarkt zu erbringen.

Diese Zusammenfassung basiert größtenteils auf Branchenmeldungen, aktuellen Artikeln und Beschreibungen der Organisationen, die diese Projekte betreiben. Da die zusammengetragenen Passagen teilweise kopiert wurden, haben wir die Quellen im Text verlinkt.

Quellen, die nicht im Text verlinkt werden konnten:

  • Plan.Net (Prex), Haus der Kommunikation (21.04.2020): Google Sandbox und Rearc

Ab dem 15.03.2021 können Sie im letzten Teil der dreiteiligen Serie lesen, was es mit dem Projekt Rearc vom IAB Tech Lab auf sich hat.

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